Hopfenextrakt gegen Craftbeer-Romantik
Vor 10 Tagen ca. stellte ich in Instagram die Frage, ob es für die Leute in der Community in Ordnung ist, wenn Hopfenextrakt in Ihrem Craftbeer zu finden ist. Ich kam hier auf dieses interessante Thema, da mir einen Tag zuvor der „Incognito“ Hopfen ins Glas gekommen war (hierzu später noch etwas mehr). Zusätzlich fragte ich nach der Meinung bzw. nach einer Erklärung, warum Pro – oder warum Contra. Das Ergebnis war dann eher eindeutig. 88% der Teilnehmer beantworteten die Frage nach dem generellen Hopfenextrakt-Einsatz in ihrem Lieblingsbier mit Nein!
Die Meinungen, die ich ebenfalls erfragte waren jedoch eher zwiegespalten. So hörte man dann auch von einigen bekannten Größen aus der Szene, Sätze wie: „Warum auch nicht?!“, oder: „Solange es „natürlich“ bleibt.“ Und genau dort setzen wir an. Was ist hier mit „natürlich“ gemeint?
Gehen wir doch einfach erst einmal ganz nüchtern an die Erklärung heran. Was ist ein „Extrakt“? Die Lexikon-Erklärung sagt hier :
„Aromaextrakte werden mit Hilfe von Lösungsmitteln wie Wasser, Alkohol oder Öl aus natürlichen Rohstoffen gewonnen, zum Beispiel aus Früchten oder Gewürzen. Der Rohstoff wird genannt, zum Beispiel „Himbeerextrakt“. Ein Aromaextrakt enthält das gleiche Spektrum aus vielen Aromastoffen, wie es im jeweiligen Ausgangsmaterial (der Frucht oder dem Gewürz) vorliegt. Somit ist er auch zu 100 Prozent natürlich, auch wenn er nicht so bezeichnet wird. Ein Aromaextrakt darf sich auch „natürliches x-Aroma“, zum Beispiel „natürliches Himbeeraroma“, nennen, denn er erfüllt die Voraussetzungen dafür.“
Von der Verbraucherzentrale
Legen wir es nun als noch genauer auf der technischen Seite an:
Hopfenextrakt und Hopfenpellets – was ist das?
„Der Hopfen verleiht dem Bier sein typisches Aroma und seinen einzigartigen Bittergeschmack. In der Brauerei wird der Hopfen fast ausschließlich in Form von sogenannten Hopfenprodukten (Hopfenpellets, Hopfenextrakte) eingesetzt. Hopfenprodukte sind sinnvoll, da Rohhopfen (unverarbeiteter Hopfen) bzw. die Inhaltsstoffe des Hopfens anfällig gegenüber Sauerstoff sind. Durch die Weiterverarbeitung des Rohhopfens zu Hopfenprodukten werden die wertvollen Inhaltsstoffe geschützt.
Rohhopfen kann durch die Doldenform in nur sehr wenigen Sudhäusern ohne Probleme eingesetzt werden. Des Weiteren kann die Zusammensetzung von Sack zu Sack schwanken. Um einen gleichmäßigen Biergeschmack über eine komplette Saison zu erhalten, ist die Verwendung von Hopfenprodukten unerlässlich. Die einfachste Verarbeitungsform sind Hopfenpellets. Hierbei wird der Rohhopfen von Blattwerk und Stängeln befreit, gemahlen, homogen vermischt, zu Pellets gepresst und licht- sowie luftdicht verpackt. Ein weiterer Vorteil von Pellets ist, dass ihr Volumen nur einen Bruchteil des Volumens des Rohhopfens einnimmt und Pellets bei ordnungsgemäßer Lagerung ihren Brauwert über mehrere Jahre nur langsam verlieren.
Bei den Hopfenextrakten gibt es zwei Methoden:
- Zum einen kann der Rohhopfen durch Gärungsethanol und zum anderen durch Kohlendioxid (CO2) extrahiert werden. Bei der Ethanolextraktion werden die wertgebenden Bestandteile des Hopfens (Bitterstoffe, Aromastoffe, Gerbstoffe) mit Alkohol ausgelaugt. Diese alkoholische Hopfenlösung läuft in einen Verdampfer, in dem der Alkohol abgetrennt wird und ein zähflüssiger grüner Extrakt übrigbleibt.
- Die Extraktion mit CO2 ist deutlich aufwendiger. Hier werden zuerst Pellets hergestellt, die in einem Hochdruckextraktionsbehälter mit überkritischem CO2 extrahiert werden. Das Lösungsmittel wird verdampft, so dass ein dunkelgrüner Extrakt zurückbleibt. Hopfenextrakt ist eine konzentrierte Form des Rohhopfens, der wenig Lagerraum einnimmt und über einen längeren Zeitraum lagerstabil ist. Extrakte sind aber kein günstiges Mittel, um ein Bier zu bittern. Aufgrund der Herstellweise sind Extrakte teurer als Pellets. Der Vorteil von Extrakt ist die hohe Reinheit, die lange Lagerstabilität, das deutlich geringere Volumen sowie die homogene Dosierbarkeit im Brauprozess.
Extrakte zeigen, entgegen landläufiger Meinung, keinerlei Nachteile gegenüber Doldenhopfen oder Pellets. Aufgrund der deutlichen Volumenreduzierung sowie besserer Lagerstabilität fallen geringere Energiekosten bei Transport und Lagerung an. Natürliche Schwankungen zwischen verschiedenen Erntejahren können mit Extrakten am leichtesten kompensiert werden. Zudem lässt sich sehr gut eine konstante Bitterqualität erzielen.
Der Einsatz von Doldenhopfen kann hingegen zu Schwierigkeiten im Prozess durch unvermahlenes Blattmaterial, nicht richtig dimensionierte Gerätschaften und das Aufschwimmen von Blättern führen. Die Entscheidung, welches Produkt schlussendlich eingesetzt wird, hängt von zahlreichen Parametern (z. B. technische Voraussetzungen, Wirtschaftlichkeit, Lagerbedingungen, etc.) ab und fällt je nach Biertyp unterschiedlich aus. Zur Erzielung der Bierbittere können alle Produkte eingesetzt werden, auch in unterschiedlichen Kombinationen von Produkten und Hopfensorten. Zu Kochbeginn wird die Grundbittere meist mit Bitterhopfensorten eingestellt.
Für diese Grundbittere werden oftmals auch Extrakte genommen, da sich diese besser dosieren lassen und weniger Feststoffe einbringen, die später im Whirlpool abgetrennt werden müssen; das ist gerade bei stark gehopften Bieren ein großer Vorteil. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Mischung von Extrakt und Pellets zu bei der Gabe zu Kochbeginn zu einer besonders harmonischen Bitterwahrnehmung führt. Eine Hopfengabe am Ende der Kochung erzeugt – abhängig von der Sorte – ein fruchtiges, teilweise blumiges Aroma. Zur Aromatisierung des Bieres werden nahezu ausschließlich Pellets eingesetzt, da Pellets hier eindeutig Vorteile in Bezug auf Löslichkeit und Verarbeitbarkeit haben.“
(Ausarbeitung von Dr. Stefan Hanke, Leiter der Bitburger Versuchsbrauerei)
So was haben wir jetzt? Eine technische Erklärung und wir haben erfahren, dass Hopfenextrakt zumeist ein „natürlicher“ Bestandteil, der zu 100% aus dem Rohmaterial (also der Hopfendolde) besteht.
Wir haben aber auf der anderen Seite die Romantik der Craftbeer-Szene. Ein „Craftbeer“ darf ruhig auch von Sud zu Sud auch mal unterschiedlich schmecken und muss nicht unbedingt „wirtschaftlich“ einwandfrei sein.
Eine technische Sache habe ich noch. Was ist der „Incognito Hopfen“:
Von der Firma BarthHaas patentiert haben wir einen Hopfen, der als „Aromenextrakt“ zum brauen benutzt werden kann:
„Einfache Dosierung ohne spezielles Equipment, reduzierte Lager- und Transportkosten, niedrige Nitratbelastung – das bei Raumtemperatur fließfähige Aromaextrakt Incognito™ sorgt mit seinen hochkonzentrierten Flavor-Komponenten für maximalen Hopfengeschmack bei minimalen Prozessverlusten.Aufgrund seiner Fließfähigkeit ist das sortenreine Hopfenprodukt perfekt für Late-Hopping in modernen Whirlpools mit geringer Feststoffkapazität geeignet. Im Vergleich zum Late-Hopping mit Pellets sind die Bierverluste deutlich geringer.“
https://www.barthhaas.com/produkt/incognitotm
Nehmen wir noch ein paar Zitate aus meiner Umfrage mit:
„Ist in vielen guten Bieren“
Sebastian Sauer, Freigeist Bierkultur
„Offen“
BrewHeart, Otterfing
„Extrakt ist derart herunterreduziert, dass es keine natürlichen Pflanzenbestandteile mehr enthält – und vermeidet Produktschwankungen. So werden von der Natur gegebene Geschmacksveränderungen zu Gunsten einer Standardisierung und geleichbleibender Aromatik geopfert. „
Inken Küpper, Bierbotschafterin IHK, Bierliebe Mainz
„Viele verstehen einfach nicht die Unterschiede der Deklaration – Aromenextrakte werden seit 1000 von Jahren hergestellt. Und so lange die zu 100% vom Originalprodukt gemacht werden, sehe ich da kein Problem“
Nico Döring, Atelier der Braukünste
„Jahrzehnte lang war der Hopfenextrakt aus Sicht der Brauwissenschaft das Maß aller Dinge, um eine reine Hopfenbittere darzustellen. In den Rezepten vieler klassischer Biere – wie auch unserem Pils und anderen Bieren – hat es daher seinen festen Platz. Und da werde ich persönlich nicht dran rütteln, denn gerade die Pilsfans sind unglaublich sensibel was Veränderungen in der Aromatik angeht. Never change a winning team.
Was das Craftbeer angeht sieht die Sache anders aus. Wenn man den handwerklichen Gedanken und möglichst naturbelassene Rohstoffe betont, dann sollte man Pellets oder Naturhopfen einsetzen – und auch weder filtrieren noch pasteurisieren.
Außerdem haben wir beim Craftbier oft kleine Mengen – dafür ist Hopfenextrakt ungeeignet. Und wir legen nicht nur Wert auf Bittere, sondern auch auf Aroma – letzteres können wir mit Extrakt nicht erreichen.
Daher setzen zumindest wir für unsere Craftbiere ausschließlich auf Pellets und Naturhopfen.“
Dr. Markus Fohr, Lahnsteiner Brauerei
Bild‘ dir deine Meinung heißt es doch so schön und das werde ich nun hier als Abschluss auch machen:
Für mich ist eine Sache ganz klar. Ich stehe nicht so auf „adjuncts“ (Zusätze) im Bier. Ob das jetzt bei einer Berliner Weisse der „Schuss“ ist oder ein Aromazusatz für den Geschmack. Beim Thema Hopfenextrakt scheiden sich aber die Geister, denn viele – auch Craftbeer-Brauer – nutzen diese Techniken. Na klar, es geht immer um eine Wirschaftflichkeit – auch in der CB-Szene. Kostenoptimierung macht überall Sinn, nicht erst seit der Corona-Krise, aber ich kann Bierromantiker genauso verstehen, wenn sie sagen Hopfenextrakt auf keinen Fall.
Meiner Meinung nach darf aber auch alles sein und nichts muss! Das ist für mich auch Craftbier. Von mir aus sollen die Brauer Gurkenscheiben, Tonka-Bohnen und Cranberries in ihren Sud kippen, solange das Ganze „natürlich“ von statten geht. Jetzt ist natürlich ein schmaler Grad erreicht, denn Hopfenextrakt ist natürlich nicht immer „natürlich“.
Wenn ich sicher gehen kann, der Brauer XY verwendet ausschließlich Extrakte aus 100% natürlichem Rohmaterial ist die Geschichte für mich absolut in Ordnung. Aber etwas Brauerromantik geht schon bei diesem Gedanken verloren. Also bleiben wir bei einem sehr spannenden und zwiegespaltenem Thema.
Wie seht ihr das Ganze so?
Pingback: Hopfenvarianten - Dolden, Pellets oder Extrakt verwenden?
Danke für die Nennung im Beitrag 🙂
Viele Grüße Paddy von der HoppiThek GbR