Die vielfältige, belgische Bierwelt
Und schon haben wir Halbzeit beim Biersommelier-Onlinekurs der Deutschen Bierakademie. Und mitten drin sind wir auch bei den einzelnen Bierstilen und Bierwelten. Und eine der tollsten, wenn nicht die tollste Bierwelt hatten wir am Mittwoch im 8. Kursmodul. Die einzige Bierwelt die immaterielles Weltkulturerbe geworden ist (Seit 2016). Es geht nach Belgien.
Obergärig und wundervoll
Wie auch in Großbritanniens Bierwelt, gibt es in der traditionellen, belgischen Bierwelt nur obergärige Biere. Oft wird das Land ja mit den Sauerbieren in einem Nenner genannt. Was auch sicherlich auf der einen Seite stimmt, jedoch ist die Vielfalt hier zu besonders, um das in diese eine Schublade zu stecken. Zunächst müssen wir uns vor Augen führen, welche heutigen Länder in dieser „Bierwelt“ vereint sind. Das sind die Benelux-Staaten Niederlande und Belgien, aber auch Nordfrankreich. Es entwickelte sich im 15. Jahrhundert ein eigener Bierstil. Ein Weizenbier mit 30-40% ungemälztem Weizen (Witbier). Um 1900 gab es 3223 Brauereien, die aber mit dem ersten und vor allem dem zweiten Weltkrieg weitgehend abgebaut wurden. (Die Armeen nutzten bspw. die Kupferkessel an der Front). Mit dem Vandervelde-Gesetz (1919-1983) fanden auch die Starkbiere Ihren Anfang.
Belgien wird zum Bierparadies und Weltkulturerbe
1990 schrieb der bekannte Bierautor Michael Jackson (Beer Hunter), über die belgische Bierwelt und entdeckte sie für sich als „Bierparadies“ Die Biercafés, das gemeinsame Bier trinken und die Glaskultur sind weltberühmt und so bekam die belgische Bierwelt mit der Auszeichnung zum immateriellen Weltkulturerbe mit Sicherheit einen Höhepunkt inmitten der Craftbier-Bewegung.
Trappisten, die strengen Mönche
Wenn wir über die belgische Bierwelt sprechen, müssen wir zwangsläufig auch ins Kloster. Naja nicht wortwörtlich, aber wir müssen uns die Welt der Trappisten-Mönche etwas näher betrachten. Dies brachte uns Jean-Michel in seiner ausführlichen Seminararbeit näher. Wir erfuhren, dass diese Mönche zurückgezogen von den Menschen ausserhalb der Klöster nach strengen Regeln leben. Dazu gehören unter anderem Schweigen, harte Handarbeit und strenge Abstinenz. Die Bezeichnung „Trappistenbier“ ist seit 1990 mit Aufsetzen der Trappistenvereinigung geschützt. „Ora et labora“ – bete und arbeite. Das ist der Leitsatz mit dem die Trappistenmönche auch ihre Biere brauen, die nur innerhalb der Klostermauern gebraut auch als Trappistenbiere bezeichnet werden dürfen.
Wir verkosteten während des Beitrages das Westmalle Dubbel. Ein dunkleres Gerstenbier mit würzigen, dunklen Malznoten. Dann stellte sich unser Gast Henri Reuchlin vor. Er ist ein bekannter Berater in der europäischen Bierszene, der unter anderem auch die Trappistenmönche näher in Kenntnis über die Welt ausserhalb der Klostermauern setzt. Er war Vorsitzender der EBCU, dem europäischen Bierkonsumentenverein oder Verein von europäischer Bierkonsumentenvereinen. Darüberhinaus ist er aber auch ein Bierkenner und Genießer. Er nahm uns mit in die Bedeutung der Glaskultur in der belgischen Bierwelt, dass jedes Bier, jede Brauerei auch sein eigenes Glas hat. Er vermittelte uns fundiertes Wissen über die Trappisten und die geschichtliche Entstehung dieser Bierkultur. Mit ihm zusammen das Orval, ein Bier was so ein wenig die Welt der Biere mit wilder Hefe (Brettanomyces) und hopfenbittere vereint. Zudem durften wir das komplexe und schwere Rochefort 10, ein Quadruppel verkosten.
Wild und fruchtig
So waren wir ja schon in der Richtung der Magie von Bieren mit wilder Gärung. Die Lambik-Biere stellte uns Beth, die selbst schon für Cantillon gearbeitet hatte, in einem tollen Vortrag im Rahmen ihrer Seminararbeit vor. Im Zuge dessen sahen wir den Brauvorgang, bei dem im Endeffekt keine Hefe per Hand zugesetzt wird. (Die Gärung erfolgt nach einer langen Kochzeit, in einem Kühlschiff, bei dem offene Fenster dafür sorgen, dass die wilden Hefen aus der Luft in das abkühlende Bier kommen. Zudem ist die Lagerung in alten und großen Fässern sehr wichtig, wo die nächste Gärung stattfindet. Im Holz der Fässer wohnen lebendige, alte Hefen, die dem Bier nach Lagerung von 1, 2, 3 oder mehr Jahren Ihren unverwechselbaren Charakter nach Apfelmost und den typischen „Stallgeschmack“ verleihen. Wir lernten etwas darüber wie Geuze hergestellt wird. Die Lambik-Biere werden „geblendet“ also mehrere Jahrgänge zu bestimmten Anteilen vermischt. Zusätzlich wird auch eine anschließende und abschließende Flaschengärung verwendet. Die Biere sind sehr lange haltbar und bekommen mit der Alterung immer neue und komplexere Geschmacksnoten.
In diesem Zusammenhang verkostete wir die Boon Oude Gueuze und das Boon Kriek.
Unseren Belgien-Teil mussten wir dann unterbrechen und den Rest in die nächste Woche verschieben, denn wir hatten Dr. Matthew Douglas Adams, einen Forscher der Abydos-Ausgrabungen in Ägypten zu Gast. Er nahm uns mit in einen spannenden Vortrag über die neuesten Entdeckungen aus der größten, gefundenen Brauerei in der Zeit der Ägypter.
Und so ging wieder ein spannender und genussvoller Kursabend zu Ende. Im nächsten Modul beschäftigen wir uns dann mit Craftbier und beenden unsere Reise nach Belgien mit dem Oude Bruin und Saison.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.